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G - Gottesfurcht

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Im Konfirmandenunterricht habe ich als Jugendlicher den Satz gelernt: Wir sollen Gott fürchten und lieben. Ich habe nie verstanden, wie das zusammengehört: Wie können wir Gott zugleich fürchten und lieben?


Stellen Sie sich vor, Sie wüssten es ganz genau! Sie wären sich hundertprozentig sicher: Ja, es gibt einen Gott. Er hat den Kosmos erschaffen und zugleich jedes einzelne Staubkorn. Dieser Gott hat auch mich ins Leben gerufen hat, so wie ich bin. Und eines Tages werde ich vor ihm stehen und muss über mein Leben Rechenschaft ablegen - ... wenn Sie das alles ganz und gar genau wüssten: Würden Sie sich nicht - zumindest ein bisschen - vor diesem Gott fürchten?
Gottesfurcht ist ein alter Begriff aus der Bibel; sicher ist er auch etwas aus der Mode gekommen. Wir reden gerne darüber, dass Gott die Menschen liebt - aber dass wir, die Menschen, ihn auch fürchten sollten? Dabei geht es nicht um eine diffuse Angst. "Gottesfurcht" bedeutet etwas anderes: Sie hat mit "Ehrfurcht" zu tun. Wir sollen Gott ehren, respektieren und achten. Darum heißt es in der Bibel: "Fürchte Gott und halte seine Gebote!" Wer so handelt, gilt als weise.


Andererseits hat diese Gottesfurcht auch ihre Schattenseiten. Vielleicht wurde uns, als wir Kinder waren, Angst gemacht mit dem Satz: Gott sieht alles! Das kann einen Menschen richtig krank machen. Darum hat ein Psychotherapeut dies einmal als "Gottesvergiftung" bezeichnet. Ja, die gibt es!


Denken wir an das Mittelalter. Da wurden den Menschen Höllenqualen vor Augen gemalt. Darum hat auch Martin Luther Gott zunächst gefürchtet und ist daran fast zerbrochen - bis er seine große Entdeckung gemacht hat: Gott liebt uns, auch ohne dass wir das verdient haben. Und so hat er uns im kleinen Katechismus gelehrt: Wir sollen Gott fürchten und lieben - von ihm stammt diese Formulierung.


Gott fürchten und lieben - beides gehört zusammen - aber wenn Sie mich fragen: Die Liebe hat das größere Gewicht. Schließlich ist die Bibel eine "Gute Nachricht". Das wissen selbst die Engel. Wie heißt der erste Satz in ihrer berühmten Weihnachtsbotschaft? "Fürchtet Euch nicht! Siehe, ich verkündige Euch große Freude!"


Autor: Jan von Lingen


Mehr aus dieser Sendereihe lesen Sie in: "Noch eine Frage, Herr Pfarrer. 111 himmlische Antworten", LVH, 2010.

 

Aus dem Kirchenlexikon der Radiokirche im NDR